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23.01.2002 Kategorie: Pressestelle

Diplomat im Namen Gottes

Landesbischof Christian Krause geht in den Ruhestand - Ein Porträt

Wolfenbüttel: Politisches Handeln aus christlicher Verantwortung, diese Maxime hat ihn zeitlebens angetrieben: als junger Pastor in der Flüchtlingsarbeit des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Afrika, als Oberkirchenrat und Ökumeneexperte bei der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), oder als Generalsekretär des Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT). Am 31. Januar geht Christian Krause nach knapp acht Jahren als Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig in den Ruhestand. Doch ruhiger wird es für den 62-jährigen nicht, denn seiner Maxime wird er treu bleiben: als Präsident des LWB, Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), oder auch als Vorsitzender des Luther-Zentrums in Wittenberg. Dabei versteht Krause politisches Engagement nicht als Mittel zum Zweck kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit. Nicht der glänzenden medialen Inszenierung gilt sein Interesse, sondern der beharrlichen Diplomatie, die häufig im Hintergrund stattfindet, aber gerade deshalb oft erfolgreich Menschen hilft - sei es in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, oder auch im Dialog zwischen West- und Osteuropa. Dabei kommen ihm seine Managerfähigkeiten zugute, jede Diskussion mit schneller Auffassung und einem sicheren Blick für Problemlösungen zu einem konstruktiven Ergebnis zu führen. Gerade erst besuchte er mit Bundespräsident Johannes Rau Südafrika, um neue Formen der wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Partnerschaft mit Deutschland zu erkunden. Reisen in das überwiegend katholische Osteuropa haben ihm außerdem gezeigt, wie politisch bedeutsam vermeintlich unpolitische theologische Gespräche sein können. Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE), jene international einzigartige Vereinbarung der römisch-katholischen Kirche und des LWB zur Überwindung historischer Trennungen, hat seiner Beobachtung nach positive Auswirkungen auf die Integration Gesamteuropas. Wenn religiöse, und damit mentale Barrieren abgebaut werden, entsteht eine neue europäische Gemeinschaft. Am 31. Oktober 1999 war es Christian Krause, der die GE als Oberhaupt der lutherischen Weltgemeinschaft in Augsburg unterzeichnete. Mit freiheitlichem Geist und einem klarem christlichen Urteilsvermögen beobachtet der Weltbürger und Diplomat im Namen Gottes die Entwicklungen der Zeit. Der 11. September 2001 stellt auch für Krause eine Zäsur dar. Der einstige Stipendiat der Fulbright-Stiftung in Chicago und Amerikakenner weiß, wie sehr die Terroranschläge von New York und Washington die amerikanische Nation erschüttert haben. Gerade deshalb setzt er sich für einen neuen europäisch-amerikanischen Dialog ein, der nicht zuletzt die kulturellen Erfahrungen Europas und dessen Austausch mit dem Islam berücksichtigt. Doch so sehr Krause auch auf internationalem Parkett zu Hause ist, das Braunschweiger Land wurde seine Heimat. Hier bleibt er wohnen, und hier war er auch mit den Herausforderungen einer schwindenden Volkskirche konfrontiert, die um Reformen nicht herumkommt. Neue Formen des missionarischen Engagements, neue Orte für spirituelle Erfahrungen, neuer Mut zu sozialethischer Mitsprache, neue Bereitschaft für die alternative Nutzung von Kirchen: seine Ziele waren Ausdruck einer ungebrochenen Freude am Gestalten und einer ausgeprägten Sensibilität für die Zeichen der Zeit. Sie zu verfolgen, war indessen nicht immer ganz leicht; das gibt Krause unumwunden zu. Denn der Protestantismus zeichnet sich auch im Braunschweiger Land durch zahlreiche heterogene Kräfte und unterschiedliche Verantwortungsebenen aus. Und bisweilen gewinnt auch in der Kirche das Allzumenschliche die Oberhand. Da gehören Reibungsverluste zum Alltag, bis hin zur persönlichen, menschlichen Enttäuschung. Und doch bezeichnet gerade diese Lebendigkeit und breite Mitwirkung den Charme des Protestantismus. Das weiß der ehemalige Generalsekretär der Laienbewegung Kirchentag nur allzu gut. Schließlich ist auch vieles gelungen: die Konsolidierung der landeskirchlichen Einrichtungen auf dem "Kirchencampus" in Wolfenbüttel, die Erhöhung des Anteils von Frauen in kirchlichen Leitungsämtern, oder die stärkere Mitwirkung der braunschweigischen Landeskirche am öffentlichen Gespräch über zentrale Fragen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Dass Krause mit 62 Jahren aus dem Bischofsamt ausscheidet, verleiht ihm die Möglichkeit, Aufgaben fortzuführen, die sein Werdegang nahe legt und denen sein Charisma in besonderer Weise dient. Nicht zuletzt die Frage nach dem lutherischen Profil wird ihn in vielerlei Weise beschäftigen. Davon könnten die evangelischen Kirchen in Deutschland profitieren, stellt ihre Gemeinschaft der EKD weltweit doch einen Sonderfall dar, der außerhalb Deutschlands nur schwer zu vermitteln ist. Denn die EKD vereinigt 24 bekenntnisverschiedene Kirchen; weltweit aber prägen Bekenntniskirchen und deren Weltgemeinschaften das ökumenische Geschehen. Wenn man Christian Krause indessen selber fragt, was ihm das Wichtigste sei, wird er vermutlich sagen: dass die Kirche ganz und gar bei ihrer Sache ist, der Verkündigung der biblischen Botschaft von der Liebe Gottes zu allen Menschen. Wer ihn predigen gehört hat, mit innerer Bewegung und geradezu evangelistischer Verve, weiß, dass es ihm damit Ernst ist. So ist der Diplomat und Manager eigentlich vor allem dies: ein Prediger des Evangeliums.